Der Flug des Falken
Stet und still
Von zarter Zierde
Durch Fülle entfaltet!
Mal lang, mal kurz
Mal breit, mal schmal
glatt, genoppt, gerieft, gerippt
Meine Damen und Herren, sie wissen sicher, was gemeint
ist? Richtig!
Die Rede ist vom Herrensocken. Bekannteste Vertreter
ihrer Art: der Rohner und der Falke.
Der Socken - österreichischer Singular von „die Socken“
im Plural. Scheu und zurückgezogen, hier unverkennbar die Nähe zu dem in Afrika
und Asien beheimat-eten Hirschferkel, lat.
Trigulidae, leben Socken bevorzugt in Paaren.
Das Paar - grossgeschrieben - bezeichnet als Zahlwort
zwei zusammengehörende Dinge wie Hosen oder Handschuhe.
Die Paar hingegen ist ein Nebenfluss der Donau in Bayer
von rund 150 km Länge.
Es gibt Paare, die nicht nur aus wärmetechnischen Gründen zusammen sind. Es verbindet sie ein
arterhaltendes Interesse, wie es in seiner Ausprägung besonders gut beim
Hirschferkel zu beobachten ist, das sich
nach jedem Wurf innert Stunden wieder befruchten lässt. Diese
Dauerträchtigkeit unterscheidet es vom Menschenweibchen.
Der Homo sapiens ist generell ein Sonderfall. Er liebt
die Abwechslung: Phasen von Singledasein und Paarbildung tragen zur Vermeidung von Eintönigkeit im
Leben bei.
Der Mensch vereint Hirschferkel und Handschuhe gleichzeitig
in sich:
Die Paarbeziehung dient ihm zuweilen der Arterhaltung, immer
jedoch dem Wärmeaustausch. Meine Damen,
wir wissen, was unser Herz höher schlagen lässt?
Ich bitte um Erlaubnis, den Herren verraten zu dürfen,
was Frauen wirklich glücklich macht: Was gibt es Schöneres, als den Tag mit
einem geliebten Manne zu beenden,
den Kopf auf seiner starken Schulter, den Arm um seinen
Brustkorb, immer zu einem sanftes Lächeln und einem Augenaufschlag bereit. Zarte
Küsse, die Herzen schaukeln im Dreivierteltakt, während eiskalte Füsse jene
Geborgenheit suchen, wie nur wohltemperierte Männerfüsse sie zu geben im Stande
sind! Rührend des Mannes Zucken bei der ersten Begegnung der Fusspaare! Heldenhaft
sein unterdrückter Aufschrei! Unbeschreiblich der Frauen Glück!!
Aber liebe Männer: Socken im Bett zu tragen zwecks
Vermeidung des Kälteschocks ist kontraproduktiv!
Damit sind wir auch schon beim ersten von zwei Problemen
angekommen. Mögen wir Frauen in schwarzen Nylonstrümpfen Eure Sinne verwirren: Der
Reiz des Anblick eines Mannes in nichts als Socken ist für uns Frauen ein sehr
bescheidener.
Beenden wir dieses düstere Kapitel der Menschheits- und
Sockengeschichte mit den treffenden Worten des grossen Dichters F.W. Bernstein:
Zwischen Knie und Sockenrand
Ist erotisch ödes Land
Zwar ist sie schön, die Wade,
doch sie bringt nichts ---- schade!
Das zweite Problem:
Socken sind ungern Singles. Dennoch machen sich täglich einzelne Socken
auf und davon. Die Wissenschaft ist ratlos. Wie Zeugen berichten, gehen Socken
paarweise in die Waschmaschine und kehren alleine zurück.
Wohin aber treibt es die verlorenen Falken? Schwirren sie
ziellos im Universum umher? Landen sie auf einem Planeten, dessen Bewohner sich
wundern, woher all die Socken kommen? Selbst die Hypothese, die CIA sauge
schmutzige Socken für DNA-Analysen ab, ist bis heute unbestätigt. Möglich auch
die Flucht ins „Restaurant zum Socken“
im 12. Wiener Gemeindebezirk, einem Asylheim für missbrauchte Socken, die in
stark verschmutztem oder löchrigem Zustand arbeiten oder, noch schlimmer, sich sommers
Sandalen andienen müssen.
Auch
die Trennung auf Zeit, die manche Sockenpaare in Beziehungskrisen beschliessen,
endet häufig in einer Trennung auf Dauer. Socken ade, scheiden tut weh! Welch‘ Tragik! Welch‘ trauriges Schicksal!
Denn was für den Menschen gilt, gilt erst recht für den Socken: Er braucht
einen zweiten um glücklich zu sein! Deshalb ist es unsere moralische Pflicht,
ihm zu einer neuen Beziehung zu verhelfen. Aber hier stellen sich essentielle
Fragen: Kann
der verlassene Socken grundsätzlich mit einem neuen Partner zusammengebracht
werden? Wie lange muss
zuvor die Trennung gedauert haben, damit der neue Partner eine Chance hat? Sollte
der getrennte Socken doch wieder auftauchen, besteht die Gefahr, dass die alte
Liebe wieder aufflammt? Dürfen die
getrennten Sockepaare im selben Wäschekorb auf den Waschgang warten? Oder ist
es besser, wenn sie sich nicht einmal mehr riechen können?
Lassen wir das Hirschferkel in der
Savanne weitergrasen. Lassen wir Hosen und Handschuhe sein. Freuen wir uns
stattdessen zum Schluss mit Goethe über das glückliche Wiederfinden aller
Socken:
Ist es möglich, ihr zwei Socken
Drück wieder ich Euch an den Fuss
Ach, was war die Zeit des Lockens
Ach, was war die Zeit des Lockens
Für ein Abgrund, ein Verdruss!
Ja, ihr seid es! Meiner Freuden
süsse liebe Socken mein
Eingedenk vergang‘ner Leiden,
Schliess ich Euch im Kasten ein!
Ja, ihr seid es! Meiner Freuden
süsse liebe Socken mein
Eingedenk vergang‘ner Leiden,
Schliess ich Euch im Kasten ein!
Stumm war alles, öd und stille
Einsam Sock‘ zum ersten Mal
War‘s, war‘s nicht sein grösster Wille
war‘s, war‘s nicht die grösste Qual?
So vereinsamt, so verblieben
kein erfreuend‘ Paargespiel
Endlich kann nun wieder lieben
Was einst auseinanderfiel!
Einsam Sock‘ zum ersten Mal
War‘s, war‘s nicht sein grösster Wille
war‘s, war‘s nicht die grösste Qual?
So vereinsamt, so verblieben
kein erfreuend‘ Paargespiel
Endlich kann nun wieder lieben
Was einst auseinanderfiel!
(Eva Sattler-Büchner, Rhetorik Club
Zürich, Rede gehalten am 10.10 2013)
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