Sonntag, 1. November 2015

Das letzte Blatt...

 

Vorsichtig berührt ein Blatt das andere.
Es tut gut, die Nähe des anderen zu spüren,
nicht allein zu sein in dieser Abschiedsstunde.
Es tut gut, Verständnis zu  erfahren
und sich mit dem anderen verbunden zu fühlen.
Und doch spüren beide schmerzlich die Grenze.
Sie können einander nicht  ewig begleiten,
können nicht mitgehen auf die andere Seite.
Der andere scheint schon so fern,
wie durch eine unsichtbare Wand getrennt.
Traurig für beide.
Die Stunden verrinnen.
Ein nasser Wind streicht kalt und feindselig 
durch die Baumwipfel.
Nebel  steigt auf.
Der Sommer ist  unendlich fern.
Das letzte Blatt löst sich von dem Zweig.
Ach, jetzt, sagt das Blatt. Ich?
Da bricht ihm die Stimme. Ein letzter Windstoß.
Es wird von seinem Platz gelöst und schwebt,
wirbelt durch die Luft und fällt hinunter auf die Erde.

(Heinke Geiter)

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