oder: Wie man sich in seinem Element fühlt
(von Dr. Eckart von Hirschhausen)
Diese
Geschichte ist mir tatsächlich passiert. Ich war als Moderator auf einem
Kreuzfahrtschiff engagiert. Da denkt jeder: „Mensch toll! Luxus!” Das dachte
ich auch. Bis ich auf dem Schiff war. Was das Publikum angeht, war ich auf dem
falschen Dampfer. Die Gäste an Bord hatten sicher einen Sinn für Humor, ich hab
ihn nur in den zwei Wochen nicht gefunden. Und noch schlimmer: Seekrankheit hat
keinen Respekt vor der Approbation. Kurzum: ich war auf der Kreuzfahrt
kreuzunglücklich.
Endlich!
Nach drei Tagen auf See, fester Boden. „Das ist wahrer Luxus!” Ich ging in
einen norwegischen Zoo. Und dort sah ich einen Pinguin auf seinem Felsen
stehen. Ich hatte Mitleid: „Musst du auch Smoking tragen? Wo ist eigentlich
deine Taille? Und vor allem: hat Gott bei dir die Knie vergessen?” Mein Urteil
stand fest: Fehlkonstruktion!
Dann sah ich
noch einmal durch eine Glasscheibe in das Schwimmbecken der Pinguine. Und da
sprang „mein“ Pinguin ins Wasser, schwamm dicht vor mein Gesicht. Wer je
Pinguine unter Wasser gesehen hat, dem fällt nix mehr ein. Er war in seinem
Element! Ein Pinguin ist zehnmal windschnittiger als ein Porsche! Mit einem
Liter Sprit käme der umgerechnet über 2500 km weit! Sie sind hervorragende
Schwimmer, Jäger, Wasser-Tänzer! Und ich dachte: „Fehlkonstruktion!”
Diese Begegnung hat mich zwei Dinge gelehrt. Erstens: wie schnell ich oft
urteile, und wie ich damit komplett danebenliegen kann. Und zweitens: wie
wichtig das Umfeld ist, ob das, was man gut kann, überhaupt zum Tragen kommt.
Wir alle
haben unsere Stärken, haben unsere Schwächen. Viele strengen sich ewig an,
Macken auszubügeln. Verbessert man seine Schwächen, wird man maximal
mittelmäßig. Stärkt man seine Stärken, wird man einzigartig. Und wer nicht so
ist, wie die anderen sei getrost: Andere gibt es schon genug! Immer wieder
werde ich gefragt, warum ich das Krankenhaus gegen die Bühne getauscht habe.
Meine Stärke und meine Macke ist die Kreativität. Das heißt, nicht alles nach
Plan zu machen, zu improvisieren, Dinge immer wieder unerwartet neu zusammen zu
fügen. Das ist im Krankenhaus ungünstig. Und ich liebe es, frei zu formulieren,
zu dichten, mit Sprache zu spielen. Das ist bei Arztbriefen und Rezepten auch
ungünstig. Auf der Bühne nutze ich viel mehr von dem was ich bin, weiß, kann
und zu geben habe. Ich habe mehr Spaß, und andere haben mit mir mehr Spaß. Live
bin ich in meinem Element, in Flow!
Menschen ändern
sich nur selten komplett und grundsätzlich. Wenn du als Pinguin geboren
wurdest, machen auch sieben Jahre Psychotherapie aus dir keine Giraffe. Also
nicht lange hadern: Bleib als Pinguin nicht in der Steppe. Mach kleine Schritte
und finde dein Wasser. Und dann: Spring! Und Schwimm!
Und du wirst wissen, wie es ist, in deinem Element zu sein…
In diesem Sinne wünsche ich all meinen Lesern und Leserinnen einen schönen Sonntag mit Zuversicht, dem Wissen um ihre Stärken und ganz viel Glauben an sich selbst!